Der Kampf und die Verteidigung der Marke Champagner im Lauf der Zeit
Die Champagne war schon immer eine reiche Region, wobei früher nicht unbedingt für Wein bzw. Schaumwein bekannt, sondern für Landwirtschaft im Allgemeinen – daher rührt auch der Name: dieser kommt vom altfranzösischen „champs“ für Feld – und Schwerindustrie. Doch mittlerweile assoziiert die Champagne niemand mehr mit Ackerbau und Industrie, bei der Region denkt jeder sofort an den Weltbekannten Champagner.
Dessen Wurzeln reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, denn zu dieser Zeit hat man begonnen, den Wein schon im Anbaugebiet in Flaschen zu füllen, um seine Frische zu erhalten, da der Wein den Transport im Fass nicht gut überstand. Aufgrund des frühen Abfüllens gärte der Wein unbeabsichtigt in den Flaschen weiter. Hätten die Engländer diesen sprudelnden Wein nicht sehr gemocht, wäre die Flaschenabfüllung vermutlich wieder abgeschafft worden – denn vor allem die Winzer waren von den herausspringenden Korken nicht begeistert, weil dies nennenswerte Verluste verursachte. Nach und nach beherrschten die Winzer den Prozess der kontrollierten Flaschengärung. Christoper Merret teilte der Royal Society in einem Schreiben am 17.12.1662 genau dies mit. Er ging vorallem auf den gezielten Zuckerzusatz ein, der den Wein Frische und Perlage verleiht.
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren Einkellerung und Vertrieb von Champagner gefahren- und verlustträchtig. 1729 gründete dann Nicolas Ruinart das älteste heute noch bestehende Champagnerhaus. Durch die Handelshäuser (z. B. Heidsieck, Moët, Perrier-Jouët und Bollinger) kam es zu einer internationalen Vermarktung. Der Wein gewann damit den Ruf den er heute hat. Vor allem unter Napoleon erlebt der Champagner einen Höhenflug. Er feiert seine Siege und seine Kaiserkrönung mit Champagner. Viele seiner Bündnispartner und Gegner wollen sich auch an diesem Getränk ergötzen – und das Jahr 1812 sollte einer der besten Champagnerjahrgänge aller Zeiten werden. Napoleon gilt auch als Begründer des Sabrierens (Abschlagen des Flaschenkopfes mit Säbel).
Ein weiterer Durchbruch für den Schaumwein aus der Champagne erfolgte um 1800 mit einem Erlass des französischen Ministers Antoine Chaptal (Chaptalisierung). Fortan war es gesetzlich gestattet, jene Weine, welche von Natur aus bei der Gärung mit verhältnismäßig wenig Zucker ausgestattet waren, mit zusätzlichem Zucker zu bereichern. Besonders für die Winzer der Champagne war die Gestattung des nachträglichen Zuckerns äußerst vorteilhaft, da die Umweltbedingungen dieses nördlich gelegenen, kühlen Weinbaugebietes nur selten genügend natürlichen Traubenzucker in die Reben einzubringen vermochten.
Erst 1806 wurde der Champagner klar, vorher war er trüb, wurde die Hefe ja in der Flasche belassen. Madame Clicquot („Veuve Clicquot“, heute eine Marke des Konzerns Moët Hennessy Louis Vuitton) erfand zusammen mit ihrem deutschstämmigen Kellermeister Antoine Müller und mit Alfred Werlé das Rütteln und Degorgieren. Das erste Rüttelpult soll ein Küchentisch gewesen sein. 1813 wurde diese Technik in André Julliens Manuel du Sommelier erstmals erwähnt. 1884 erfand Raymond Abelé die mit einem Eisbad arbeitende Degorgiermaschine.
Besonders um die Absicherung des Markennamens waren die Champagnerhäuser immer sehr bemüht – und auch sehr erfolgreich: So fand der sogenannte „Champagnerparagraph“ (Artikel 274 und 275) sogar Einzug in den Friedensvertrag von Versailles. Diese Artikel verbieten es, dass deutsche Produkte fremde Herkunftsbezeichnungen führen können. Besonders betraf dies Champagner und Cognac aus deutscher Herstellung, die aus französischer Sicht irreführend nach französischen Gegenden benannt waren. Seither werden diese Produkte als Sekt und Weinbrand bezeichnet.
Laut Artikel 275 „verpflichtet sich Deutschland zur Beachtung der Gesetze […], die in einem alliierten oder assoziierten Lande in Kraft sind […], und die das Recht einer örtlichen Herkunftsbezeichnung festsetzen oder Regeln für Weine oder Spirituosen“.
Aber der Vertrag von Versailles war nicht der erste Schritt zur Marke Champagner bzw. zu dessen Entwicklung: hierzu trugen besonders die Flaschenetiketten bei, die ab 1830 aufkamen. 1882 wurden bereits 36 Millionen Flaschen erzeugt, von denen drei Viertel exportiert wurden. Doch die Reblausplage bereitete dem Aufschwung ein Ende. Die Champagne selbst wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts von ihr erfasst. Auch der Rebsortenspiegel veränderte sich zugunsten der heute vorherrschenden Sorten Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay. 1908 wurde der Gebrauch des Namens Champagne per Gesetz auf Weine aus den Départements Marne und Aisne beschränkt. Kurios ist die Tatsache, dass außerhalb der Champagne auch in der Hauptstadt Luxemburgs echter Champagner hergestellt wurde. Wohl in Erinnerung an die luxemburgische Champagnerproduktion ist die Luxemburger Mosel das einzige Weingebiet außerhalb Frankreichs, das die Appellation „Crémant“ für Qualitätssekt mit Flaschengärung benutzen darf.
Unter dem Ersten Weltkrieg litt die Champagne besonders stark, da sie häufig Schauplatz von Kampfhandlungen war. Dem Champagner brachen zudem mit der Russischen Revolution und der Prohibition in Amerika wichtige Exportmärkte weg. Von der zugelassenen Rebfläche waren 1927 gerade 9.000 Hektar bestockt. Die Not zwang damals viele Winzer dazu, sich von den großen Häusern zu lösen und eigene Absatzwegezu suchen. So entstanden viele kleine Familienbetriebe, die noch heute existieren.Unter der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg wurde das ComitéInterprofessionnel du Vin de Champagne gegründet, das heute als Dachverband die Produktion beaufsichtigt und die Interessen der Erzeuger vertritt. Der zunehmende Wohlstand seit 1945 brachte dem Champagner schließlich einen neuen Aufschwung, der die Produktion auf nie erreichte Höhen führte.
Bis Anfang der 1990er Jahre war zumindest der Ausdruck méthodechampenoise auf dem Etikett eines Schaumweins mit Flaschengärung erlaubt. Nun ist aber jeglicher Ausdruck, der an Champagner erinnert, verboten. In Frankreich wurde daher die Kategorie des Crémant eingeführt– auch in der restlichen EU darf niemand seinen Wein (Stillund Schaumwein) Champagner nennen – sogar Gebäck darf den Namen nicht tragen.
Auszug aus dem Gesetz vom 2. Juli 1990:
„Der geografische Begriff, aus dem die Ursprungsbezeichnung besteht, oder jede andere Nennung, welche die Ursprungsbezeichnung evoziert, darf für kein ähnliches Produkt, kein anderes Produkt und keine Dienstleistung verwendet werden, wenn diese Verwendung den Ruf der Appellation ausnutzt oder schwächt.“
Mitte der 1980er Jahre versucht der Comité Champagne, den Schutz auf rufausbeutende und –schwächende Verwendungen der Bezeichnung auszuweiten. Dieser ergänzende Schutz wurde schließlich auch im französischen Gesetz verankert. 2013 gestehen Mitgliedsländer der Europäischen Union und zahlreiche andere Nationen (darunter Südkorea und Kolumbien) der Appellation Champagne einen Schutz zu, der alle Arten von Produkten und Dienstleistungen umfasst.
Der Erfolg des Champagners hält an, heute werden ungefähr 300-350 Millionen Flaschen Champagner pro Jahr produziert. Das Getränk, das ursprünglich fast ausschließlich von Königen und Kaisern genossen wurde, hat eine große globale Anhängerschaft gefunden.